Bewerbungsgebühren bei Ausschreibungen von Institutionen
Einige Institutionen wie z.B. Kunsthäuser und Galerien besetzen ihre Ausstellungen zuweilen durch öffentliche Ausschreibungen. Für das Einreichen einer Bewerbung wird dann von den Künstlern eine Bearbeitungsgebühr verlangt. Ähnlich wie beim neuen Personalausweis auf dem Einwohnermeldeamt kann man sich fragen, was da wohl genau bearbeitet wird, und vor allem, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, Geld dafür zu verlangen. Natürlich kann sich jeder Kurator ausdenken was er möchte, man kann sich aber durchaus Gedanken darüber machen, ob diese Praxis "der Sache" insgesamt dienlich ist, soll heißen, ob Entwicklungsmöglichkeiten und Vielfalt der Kunst dadurch insgesamt gefördert werden.
Diese Überlegungen entstammen einem unbestimmten Gefühl einiger Künstler, bei der Bewerbung für eine ausgeschriebene Ausstellung durch die Erhebung von Gebühren grundsätzlich übervorteilt zu werden. Ist dieses Gefühl berechtigt? Es scheint ja selbstverständlich geworden zu sein, dass Künstler einerseits für ihre Arbeit nicht bezahlt werden, andererseits aber zusätzlich Arbeiten verrichten sollen, die man eher dem Ausstellungshaus zuordnen würde.
Andrea Fraser[i] fasst schon 1996 die generelle Tendenz zusammen:
"Diese Probleme reichten von dem sehr praktischen 'Problem, bezahlt zu werden' bis hin zu Erfahrungen von Zensur und Sorge über den Verlust von Autonomie. Zusätzlich zu der
Durchführung ortsspezifischer Projekte für wenig oder gar kein Honorar wurde von KünstlerInnen üblicherweise erwartet, daß sie Einladungen, Plakate, Ankündigungen und Kataloge entwerfen, Katalogtexte schreiben oder Teile des Katalogs ausarbeiten, ohne für ihre Arbeit vergütet zu werden. KünstlerInnen, die prinzipiell keine Projekte durchführen, ohne ein Honorar zu erhalten, wurden in Ausstellungen als "schwierig" angesehen (...)"
Mittlerweile erwarten viele Künstler schon gar kein Honorar mehr, man kennt es eben nicht anders oder hat resigniert. Ich möchte aber hier nicht allgemein über schwierige Bedingungen künsterischer Arbeit lamentieren - Stichwort Künstlerprekariat[ii] - sondern es geht um den spezielleren und ganz pragmatischen Punkt der Bewerbungsgebühren, denn ich halte es für hilfreich, sich darüber klar zu werden, warum man etwas ablehnt. Denn für (möglicherweise zweifelhafte) Chancen auch noch mittels "Bewerbungsgebühren" bezahlen zu müssen geht noch einen entscheidenden Schritt weiter.
Zunächst gibt es unterschiedliche Arten der finanziellen Selbstbeteiligung an Ausstellungsprojekten:
- Eine Künstlergruppe, die selbstorganisiert eine Ausstellung ausrichten möchte und sich nicht in der Lage sieht, Drittmittel einzuwerben, arbeitet naturgemäß auf eigene Rechnung. Üblicherweise bewirbt man sich zwar nicht gegen Geld, aber wenn die Teilnehmer festliegen, muss jeder einen Teil der Unkosten tragen. Hier findet aber kein wirklicher Transfer statt, denn der Künstler, der das Geld aufwenden muss gibt es im Rahmen des Projektes ja auch wieder aus.
- Eine andere Variante sind Vanity Shows in die sich die Künstler gegen Bares einkaufen müssen. Nicht nur aufgrund des aggressiven Marketings (Massen-Mailings an alle verfügbaren Künstleradressen mit der Behauptung, man sei durch ein Kuratorium 'ausgewählt' worden) sind diese mindestens als halbseiden zu betrachten. Dabei sollen unerfahrene Zeitgenossen mit der Aussicht auf schnellen Ruhm geködert werden, der sich aber nicht einstellen kann, weil diese Veranstaltungen in der Kunstbranche nicht ernstgenommen werden. Letztlich läuft aber auch dabei oft alles auf einen einfachen Handel hinaus: Der Künstler zahlt und erhält dafür eine relativ genau definierte Leistung. Die Bewertung dieser Leistung muss der Künstler selbst vornehmen. Es darf allerdings angenommen werden, dass nicht allen Künstlern der zweifelhafte Ruf solcher Shows klar ist, worauf der Veranstalter natürlich spekuliert. Der Rest dürfte sie sowieso meiden. Es gilt aber immerhin das Prinzip: What you see is what you get. Die Konstruktion, um die es hier eigentlich gehen soll, ist etwas komplexer.
Beispiel: Eine angesehene Institution macht ein Ausstellungsprojekt[iii], das auf weniger bekannte Künstler abzielt. Die Auswahl trifft eine Jury, deren Zusammensetzung (hoffentlich) bekannt ist. Es gibt bestimmte Randbedingungen wie Anzahl und Format der Arbeiten. Jede Bewerbung kostet nun eine bestimmte Gebühr. Der durchschnittliche Verdienst von freischaffenden Künstlern ist bekanntenmaßen sehr gering, da können auch 20 Euro schon viel Geld sein, insbesondere wenn die Chancen als eher klein einzuschätzen sind. Der Transport der Werke und die Reisekosten müssen wahrscheinlich vom Teilnehmer selbst geleistet werden. Häufig sind die terminlichen Randbedingungen eng gesetzt (Abholung an einem bestimmten Tag, von-bis...). Unter Umständen fallen für die angenommenen Teilnehmer weitere Kosten an. Ein wichtiger Punkt ist der Aufwand, wie auch schon Andrea Fraser feststellte. Wenn derSelbstverwirklichungstrieb des Kurators mal wieder zu einem hochspeziellen Ausstellungsthema geführt hat - am besten natürlich Site Specific- dann kann eine Bewerbung schon mal ein paar Stunden Kopfzerbrechen vor der Tastatur verursachen.
Demgegenüber steht natürlich (im Erfolgsfall) auch der Nutzen für den Künstler: Eine Ausstellung in einer bekannten Institution, ggfs. ein Katalog, viele Besucher, Presse und so fort.
An dieser Stelle sind daher häufig zwei Gegenargumente zu vernehmen:
Punkt 2, also die Idee, dass man einfach eine Chance kauft wie eine Dose Erbsen im Supermarkt, ist etwas komplexer. Sie ist dennoch klarer zu durchschauen. "Ein ganz normaler Handel" würde nämlich verschiedene Dinge implizieren:
Als Initiator und Ausrichter einer Ausstellung ist die Institution für Planung, Finanzierung und Durchführung verantwortlich. Dies gilt insbesondere für Posten, die außerhalb des Einflussbereichs der Künstler liegen, wie z.B. die Gestaltung der Einladungen und des Katalogs. Eine Umkehrung dieses Prinzips wäre widersprüchlich, aber mindestens organisatorisch schwer zu realisieren: Wenn die Künstler an der Finanzierung beteiligt wären, müssten sie auch Einfluss auf die Durchführung haben. Weiterhin müssten sie natürlich auch an den Einnahmen beteiligt werden - man sieht schnell ein, dass wenn man den Ausstellungsbetrieb tatsächlich betriebswirtschaftlich betrachtet, die Künstler höchstens so etwas wie Zulieferern entsprechen könnten.
Will man die betriebswirtschaftliche Analogie retten, bleibt also nur, die Bewerbung gegen Gebühr sozusagen als Kauf einer Sache zu betrachten. Nun kauft niemand gern die Katze im Sack. Was genau bekommt man denn für seine "Gebühr"? Idealerweise ist die brancheninterne Bedeutung der Institution vorher für den Künstler abschätzbar. Guggenheim oder Stadtsparkasse machen sich nicht gleich gut im Lebenslauf. Dazu kommen weitere Faktoren, die für Künstler wichtig sein können: Besucherzahlen, Berichterstattung, Kontakte etc. Diese Einschätzung des 'Werts' ist insbesondere schwierig bei diversen "Kunstpreisen", die massiv international beworben werden und bei denen der Verdacht sehr naheliegt, dass es dabei in erster Linie darum geht, Kapital zu generieren. Dasselbe gilt für einige Galerieausschreibungen im Ausland. Der lokale Kunstverein hingegen ist im allgemeinen auf einer gewissen Ebene bekannt und etabliert. Man kann also einschätzen, mit wem man es zu tun hat. Aber Moment! Die "Sache" die der Künstler kauft, ist ja nicht die Ausstellungsbeteiligung, sondern nur die Chance darauf. Bleiben wir also bei der Analogie zu einem Handel.
Zunächst müsste der Verkäufer, hier die Veranstalter, versuchen nach bestem Wissen und Gewissen transparent zu machen, worauf der Käufer (hier: der Künstler) sich einlässt. Natürlich ist dies immer nur eingeschränkt möglich. Aber wer ein T-Shirt aus dem Katalog bestellt, erwartet eine genaue Beschreibung der Ware, Größe, Farbe etc. Sogar beim Zahlenlotto kann man sich seine Chancen exakt ausrechnen, und man weiß auch, wie die Ziehung vonstatten geht. Nun kann ein Ausstellungshaus zwar die geplante Ausstellung, den Katalog und die Rahmenbedingungen beschreiben, aber da im Allgemeinen die meisten Bewerber abgelehnt werden, ist es für die Künstler am interessantesten, etwas über ihre Chancen zu erfahren. Der Volkshochschul-Sonntagsmaler ist vielleicht von Anfang an Chancenlos, kann dies aber möglicherweise nicht einschätzen. Eine avantgardistische Bewerbung hat bei einer konservativen Jury schlechte Aussichten, ebenso im umgekehrten Fall. Nun bringt aber jede Bewerbung der Institution Geld, man kann also davon ausgehen, dass gar nicht erst versucht wird, mit allzu offenen Karten zu spielen.
Dazu kommt, dass von einem Kurator bzw von einer Jury eine gewisse Art von Offenheit, z.B. gegenüber neuen künstlerischen Entwicklungen, erwartet wird. Einschränkungen stilistischer Art könnten der Jury dann auch als Engstirnigkeit oder Voreingenommenheit ausgelegt werden. Also lieber nichts dazu sagen.
Ein weiterer Aspekt lässt die Idee des "ganz normalen Handels" fraglich erscheinen. Bei einem Handel muss nicht nur der Wille vorhanden sein, die Ware zumindest ansatzweise zu beschreiben - sondern dies muss überhaupt möglich sein. Es dürfte jedem einleuchten, dass die Entscheidungen einer dem Künstler im Allgemeinen unbekannten Jury nicht einmal ungefähr objektiv begründet werden können. Es gibt so viele Kunstauffassungen wie es Menschen gibt. Doch selbst wenn man die Kenntnis eines künstlerischen Qualitätsbegriff bei beiden Parteien voraussetzt reicht dies nicht aus. Für Auswahl oder Absage können nämlich noch ganz andere Gründe ausschlaggebend sein, etwa die Ausgewogenheit (zuviel Malerei, wir brauchen mehr Fotos) oder Alter und Vita der Bewerber. Solche Aspekte sind vollkommen außerhalb der möglichen Einsicht der Künstler.
Letzlich bleibt die Erkenntnis, dass es hier eben nicht um einen Handel geht - zumindest keinen, auf den man sich unter normalen Umständen einlassen würde. Normale Umstände gelten aber für die wirtschaftlichen Verhältnisse der meisten Künstler nicht, sie sind Abhängig von solchen Chancen (die allerdings vielleicht nie wirklich bestanden).
Für den Aussteller ist das Ganze ein schönes Geschäft. Je mehr kühl kalkulierende, Verzweifelte oder Ahnungslose sich bewerben, desto besser. Diese Praxis der Gegenfinanzierung ist umso kritischer zu bewerten, desto mehr die Institution einen öffentlichen Charakter hat. Ein unabhängiger Kunstraum ohne Drittmittel ist eher auf Augenhöhe der Bewerber anzusiedeln als ein großes Haus, das möglicherweise sogar über öffentliche Gelder verfügt. In letzterem Fall wird nämlich effektiv eine versteckte Kulturpolitik betrieben. Offensichtlich greifen die Institutionen in die Karrieren der Künstler ein - sie bestimmen mit, wer erfolgreich ist und wer nicht. Diese Rolle liegt aber in der Natur der Sache und soll hier nicht thematisiert werden. In jedem Fall aber ist es eine Rolle, die mit Verantwortung ausgeübt werden muss, insbesondere, wenn kein rein privatwirtschaftliches Unternehmen agiert. Dies kann aber bei der beschriebenen Praxis nicht der Fall sein, denn der Eingriff in Erfolg oder Misserfolg der Künstler geht noch weiter, indem nämlich das Geld, was man den Erfolgreichen "gibt" von den weniger Erfolgreichen genommen wird. Es findet unter den Habenichtsen noch eine Auslese statt. Die Kluft wird also weiter vergrößert. Diese Umverteilung sortiert die Künstler in wenige erfolgreiche, deren Erfolg vergrößert wird, und zwar auf Kosten der weniger erfolgreichen Masse, die noch zusätzlich ausgenommen wird. Wem kommt das bekannt vor?
Tatsächlich funktionieren solche Ausschreibungen auch gegen Gebühr immer wieder gut, die Künstler begreifen damit die Institionen gewissermaßen als Dienstleister für Chancen. Eben dieser Vergleich hinkt aber und schadet den Künstlern langfristig.
Die einzig mögliche Konsequenz ist, auf die Erhebung von Gebühren für Ausstellungsbewerbungen zu verzichten - oder umgekehrt als Künstler diese Praxis zu boykottieren und anzuprangern.
[i] "SERVICES - EINE ARBEITSGRUPPEN-AUSSTELLUNG", Andrea Fraser, in: Games, Fights, Collaborations. Das Spiel von Grenze und Überschreitung. Kunstraum der Universität Lüneburg (Hg.), 1996 2 "SERVICES. Project Work und die Bedingungen der Kunstproduktion", Pascal Unbehaun, http://www.d498.de/oca/0807projectwork.shtm
[ii] http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html
[iii] Dieselben Überlegungen gelten auch für Stipendien, Artist-in-Residence-Programme etc.
Einige Institutionen wie z.B. Kunsthäuser und Galerien besetzen ihre Ausstellungen zuweilen durch öffentliche Ausschreibungen. Für das Einreichen einer Bewerbung wird dann von den Künstlern eine Bearbeitungsgebühr verlangt. Ähnlich wie beim neuen Personalausweis auf dem Einwohnermeldeamt kann man sich fragen, was da wohl genau bearbeitet wird, und vor allem, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, Geld dafür zu verlangen. Natürlich kann sich jeder Kurator ausdenken was er möchte, man kann sich aber durchaus Gedanken darüber machen, ob diese Praxis "der Sache" insgesamt dienlich ist, soll heißen, ob Entwicklungsmöglichkeiten und Vielfalt der Kunst dadurch insgesamt gefördert werden.
Diese Überlegungen entstammen einem unbestimmten Gefühl einiger Künstler, bei der Bewerbung für eine ausgeschriebene Ausstellung durch die Erhebung von Gebühren grundsätzlich übervorteilt zu werden. Ist dieses Gefühl berechtigt? Es scheint ja selbstverständlich geworden zu sein, dass Künstler einerseits für ihre Arbeit nicht bezahlt werden, andererseits aber zusätzlich Arbeiten verrichten sollen, die man eher dem Ausstellungshaus zuordnen würde.
Andrea Fraser[i] fasst schon 1996 die generelle Tendenz zusammen:
"Diese Probleme reichten von dem sehr praktischen 'Problem, bezahlt zu werden' bis hin zu Erfahrungen von Zensur und Sorge über den Verlust von Autonomie. Zusätzlich zu der
Durchführung ortsspezifischer Projekte für wenig oder gar kein Honorar wurde von KünstlerInnen üblicherweise erwartet, daß sie Einladungen, Plakate, Ankündigungen und Kataloge entwerfen, Katalogtexte schreiben oder Teile des Katalogs ausarbeiten, ohne für ihre Arbeit vergütet zu werden. KünstlerInnen, die prinzipiell keine Projekte durchführen, ohne ein Honorar zu erhalten, wurden in Ausstellungen als "schwierig" angesehen (...)"
Mittlerweile erwarten viele Künstler schon gar kein Honorar mehr, man kennt es eben nicht anders oder hat resigniert. Ich möchte aber hier nicht allgemein über schwierige Bedingungen künsterischer Arbeit lamentieren - Stichwort Künstlerprekariat[ii] - sondern es geht um den spezielleren und ganz pragmatischen Punkt der Bewerbungsgebühren, denn ich halte es für hilfreich, sich darüber klar zu werden, warum man etwas ablehnt. Denn für (möglicherweise zweifelhafte) Chancen auch noch mittels "Bewerbungsgebühren" bezahlen zu müssen geht noch einen entscheidenden Schritt weiter.
Zunächst gibt es unterschiedliche Arten der finanziellen Selbstbeteiligung an Ausstellungsprojekten:
- Eine Künstlergruppe, die selbstorganisiert eine Ausstellung ausrichten möchte und sich nicht in der Lage sieht, Drittmittel einzuwerben, arbeitet naturgemäß auf eigene Rechnung. Üblicherweise bewirbt man sich zwar nicht gegen Geld, aber wenn die Teilnehmer festliegen, muss jeder einen Teil der Unkosten tragen. Hier findet aber kein wirklicher Transfer statt, denn der Künstler, der das Geld aufwenden muss gibt es im Rahmen des Projektes ja auch wieder aus.
- Eine andere Variante sind Vanity Shows in die sich die Künstler gegen Bares einkaufen müssen. Nicht nur aufgrund des aggressiven Marketings (Massen-Mailings an alle verfügbaren Künstleradressen mit der Behauptung, man sei durch ein Kuratorium 'ausgewählt' worden) sind diese mindestens als halbseiden zu betrachten. Dabei sollen unerfahrene Zeitgenossen mit der Aussicht auf schnellen Ruhm geködert werden, der sich aber nicht einstellen kann, weil diese Veranstaltungen in der Kunstbranche nicht ernstgenommen werden. Letztlich läuft aber auch dabei oft alles auf einen einfachen Handel hinaus: Der Künstler zahlt und erhält dafür eine relativ genau definierte Leistung. Die Bewertung dieser Leistung muss der Künstler selbst vornehmen. Es darf allerdings angenommen werden, dass nicht allen Künstlern der zweifelhafte Ruf solcher Shows klar ist, worauf der Veranstalter natürlich spekuliert. Der Rest dürfte sie sowieso meiden. Es gilt aber immerhin das Prinzip: What you see is what you get. Die Konstruktion, um die es hier eigentlich gehen soll, ist etwas komplexer.
Beispiel: Eine angesehene Institution macht ein Ausstellungsprojekt[iii], das auf weniger bekannte Künstler abzielt. Die Auswahl trifft eine Jury, deren Zusammensetzung (hoffentlich) bekannt ist. Es gibt bestimmte Randbedingungen wie Anzahl und Format der Arbeiten. Jede Bewerbung kostet nun eine bestimmte Gebühr. Der durchschnittliche Verdienst von freischaffenden Künstlern ist bekanntenmaßen sehr gering, da können auch 20 Euro schon viel Geld sein, insbesondere wenn die Chancen als eher klein einzuschätzen sind. Der Transport der Werke und die Reisekosten müssen wahrscheinlich vom Teilnehmer selbst geleistet werden. Häufig sind die terminlichen Randbedingungen eng gesetzt (Abholung an einem bestimmten Tag, von-bis...). Unter Umständen fallen für die angenommenen Teilnehmer weitere Kosten an. Ein wichtiger Punkt ist der Aufwand, wie auch schon Andrea Fraser feststellte. Wenn derSelbstverwirklichungstrieb des Kurators mal wieder zu einem hochspeziellen Ausstellungsthema geführt hat - am besten natürlich Site Specific- dann kann eine Bewerbung schon mal ein paar Stunden Kopfzerbrechen vor der Tastatur verursachen.
Demgegenüber steht natürlich (im Erfolgsfall) auch der Nutzen für den Künstler: Eine Ausstellung in einer bekannten Institution, ggfs. ein Katalog, viele Besucher, Presse und so fort.
An dieser Stelle sind daher häufig zwei Gegenargumente zu vernehmen:
- Es wird ja niemand gezwungen, sich zu bewerben.
- Das ganze ist ein ganz normaler Handel. Man bezahlt etwas und bekommt etwas.
Punkt 2, also die Idee, dass man einfach eine Chance kauft wie eine Dose Erbsen im Supermarkt, ist etwas komplexer. Sie ist dennoch klarer zu durchschauen. "Ein ganz normaler Handel" würde nämlich verschiedene Dinge implizieren:
Als Initiator und Ausrichter einer Ausstellung ist die Institution für Planung, Finanzierung und Durchführung verantwortlich. Dies gilt insbesondere für Posten, die außerhalb des Einflussbereichs der Künstler liegen, wie z.B. die Gestaltung der Einladungen und des Katalogs. Eine Umkehrung dieses Prinzips wäre widersprüchlich, aber mindestens organisatorisch schwer zu realisieren: Wenn die Künstler an der Finanzierung beteiligt wären, müssten sie auch Einfluss auf die Durchführung haben. Weiterhin müssten sie natürlich auch an den Einnahmen beteiligt werden - man sieht schnell ein, dass wenn man den Ausstellungsbetrieb tatsächlich betriebswirtschaftlich betrachtet, die Künstler höchstens so etwas wie Zulieferern entsprechen könnten.
Will man die betriebswirtschaftliche Analogie retten, bleibt also nur, die Bewerbung gegen Gebühr sozusagen als Kauf einer Sache zu betrachten. Nun kauft niemand gern die Katze im Sack. Was genau bekommt man denn für seine "Gebühr"? Idealerweise ist die brancheninterne Bedeutung der Institution vorher für den Künstler abschätzbar. Guggenheim oder Stadtsparkasse machen sich nicht gleich gut im Lebenslauf. Dazu kommen weitere Faktoren, die für Künstler wichtig sein können: Besucherzahlen, Berichterstattung, Kontakte etc. Diese Einschätzung des 'Werts' ist insbesondere schwierig bei diversen "Kunstpreisen", die massiv international beworben werden und bei denen der Verdacht sehr naheliegt, dass es dabei in erster Linie darum geht, Kapital zu generieren. Dasselbe gilt für einige Galerieausschreibungen im Ausland. Der lokale Kunstverein hingegen ist im allgemeinen auf einer gewissen Ebene bekannt und etabliert. Man kann also einschätzen, mit wem man es zu tun hat. Aber Moment! Die "Sache" die der Künstler kauft, ist ja nicht die Ausstellungsbeteiligung, sondern nur die Chance darauf. Bleiben wir also bei der Analogie zu einem Handel.
Zunächst müsste der Verkäufer, hier die Veranstalter, versuchen nach bestem Wissen und Gewissen transparent zu machen, worauf der Käufer (hier: der Künstler) sich einlässt. Natürlich ist dies immer nur eingeschränkt möglich. Aber wer ein T-Shirt aus dem Katalog bestellt, erwartet eine genaue Beschreibung der Ware, Größe, Farbe etc. Sogar beim Zahlenlotto kann man sich seine Chancen exakt ausrechnen, und man weiß auch, wie die Ziehung vonstatten geht. Nun kann ein Ausstellungshaus zwar die geplante Ausstellung, den Katalog und die Rahmenbedingungen beschreiben, aber da im Allgemeinen die meisten Bewerber abgelehnt werden, ist es für die Künstler am interessantesten, etwas über ihre Chancen zu erfahren. Der Volkshochschul-Sonntagsmaler ist vielleicht von Anfang an Chancenlos, kann dies aber möglicherweise nicht einschätzen. Eine avantgardistische Bewerbung hat bei einer konservativen Jury schlechte Aussichten, ebenso im umgekehrten Fall. Nun bringt aber jede Bewerbung der Institution Geld, man kann also davon ausgehen, dass gar nicht erst versucht wird, mit allzu offenen Karten zu spielen.
Dazu kommt, dass von einem Kurator bzw von einer Jury eine gewisse Art von Offenheit, z.B. gegenüber neuen künstlerischen Entwicklungen, erwartet wird. Einschränkungen stilistischer Art könnten der Jury dann auch als Engstirnigkeit oder Voreingenommenheit ausgelegt werden. Also lieber nichts dazu sagen.
Ein weiterer Aspekt lässt die Idee des "ganz normalen Handels" fraglich erscheinen. Bei einem Handel muss nicht nur der Wille vorhanden sein, die Ware zumindest ansatzweise zu beschreiben - sondern dies muss überhaupt möglich sein. Es dürfte jedem einleuchten, dass die Entscheidungen einer dem Künstler im Allgemeinen unbekannten Jury nicht einmal ungefähr objektiv begründet werden können. Es gibt so viele Kunstauffassungen wie es Menschen gibt. Doch selbst wenn man die Kenntnis eines künstlerischen Qualitätsbegriff bei beiden Parteien voraussetzt reicht dies nicht aus. Für Auswahl oder Absage können nämlich noch ganz andere Gründe ausschlaggebend sein, etwa die Ausgewogenheit (zuviel Malerei, wir brauchen mehr Fotos) oder Alter und Vita der Bewerber. Solche Aspekte sind vollkommen außerhalb der möglichen Einsicht der Künstler.
Letzlich bleibt die Erkenntnis, dass es hier eben nicht um einen Handel geht - zumindest keinen, auf den man sich unter normalen Umständen einlassen würde. Normale Umstände gelten aber für die wirtschaftlichen Verhältnisse der meisten Künstler nicht, sie sind Abhängig von solchen Chancen (die allerdings vielleicht nie wirklich bestanden).
Für den Aussteller ist das Ganze ein schönes Geschäft. Je mehr kühl kalkulierende, Verzweifelte oder Ahnungslose sich bewerben, desto besser. Diese Praxis der Gegenfinanzierung ist umso kritischer zu bewerten, desto mehr die Institution einen öffentlichen Charakter hat. Ein unabhängiger Kunstraum ohne Drittmittel ist eher auf Augenhöhe der Bewerber anzusiedeln als ein großes Haus, das möglicherweise sogar über öffentliche Gelder verfügt. In letzterem Fall wird nämlich effektiv eine versteckte Kulturpolitik betrieben. Offensichtlich greifen die Institutionen in die Karrieren der Künstler ein - sie bestimmen mit, wer erfolgreich ist und wer nicht. Diese Rolle liegt aber in der Natur der Sache und soll hier nicht thematisiert werden. In jedem Fall aber ist es eine Rolle, die mit Verantwortung ausgeübt werden muss, insbesondere, wenn kein rein privatwirtschaftliches Unternehmen agiert. Dies kann aber bei der beschriebenen Praxis nicht der Fall sein, denn der Eingriff in Erfolg oder Misserfolg der Künstler geht noch weiter, indem nämlich das Geld, was man den Erfolgreichen "gibt" von den weniger Erfolgreichen genommen wird. Es findet unter den Habenichtsen noch eine Auslese statt. Die Kluft wird also weiter vergrößert. Diese Umverteilung sortiert die Künstler in wenige erfolgreiche, deren Erfolg vergrößert wird, und zwar auf Kosten der weniger erfolgreichen Masse, die noch zusätzlich ausgenommen wird. Wem kommt das bekannt vor?
Tatsächlich funktionieren solche Ausschreibungen auch gegen Gebühr immer wieder gut, die Künstler begreifen damit die Institionen gewissermaßen als Dienstleister für Chancen. Eben dieser Vergleich hinkt aber und schadet den Künstlern langfristig.
Die einzig mögliche Konsequenz ist, auf die Erhebung von Gebühren für Ausstellungsbewerbungen zu verzichten - oder umgekehrt als Künstler diese Praxis zu boykottieren und anzuprangern.
[i] "SERVICES - EINE ARBEITSGRUPPEN-AUSSTELLUNG", Andrea Fraser, in: Games, Fights, Collaborations. Das Spiel von Grenze und Überschreitung. Kunstraum der Universität Lüneburg (Hg.), 1996 2 "SERVICES. Project Work und die Bedingungen der Kunstproduktion", Pascal Unbehaun, http://www.d498.de/oca/0807projectwork.shtm
[ii] http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html
[iii] Dieselben Überlegungen gelten auch für Stipendien, Artist-in-Residence-Programme etc.